Die Zeit vor dem Schlafengehen ist einer der kostbaren Momente, den wir mit unseren Kindern teilen dürfen.
Kigunage, 2012
Berry schlummerte friedlich in seiner Biberburg. Das Wasser des Flusses hatte sich vor seinem Damm wieder zu einem schönen, sauberen Teich gestaut. Sein neues Zuhause in diesem wunderschönen Wald war einfach perfekt.
Besonders glücklich war er darüber, dass er trotz der kurzen Zeit, die er hier lebte, bereits neue Freunde gefunden hatte. Seit ihrer gemeinsamen Bootsfahrt hatte Berry sich häufig mit Bo und Hoa getroffen und dabei sehr viel Spaß gehabt.
Natürlich rätselten die drei immer noch, was das Wort „Kommt“ zu bedeuten hatte. Bislang war ihnen dazu nichts eingefallen. Ob es überhaupt etwas bedeutete? Oder war das Blätterwort, das sie nach ihrer abenteuerlichen Fahrt auf dem Fluss gesehen hatten, einfach nur Einbildung gewesen!?
Gerade noch zufrieden schlummernd wurde Berry plötzlich sehr unsanft aus seinen Träumen gerissen.
Srrrr! Solchen Radau konnte man nicht überhören. Ein schreckliches Knacken, ein lauter Bums und dann folgte ein anhaltendes Dröhnen. Dieses Geräusch kannte Berry leider nur zu gut. Solchen Lärm hatte er oft genug gehört, bevor er sich ein neues Zuhause suchen musste. Das war eindeutig das Dröhnen einer Maschine.
Einen Moment lang blieb es still, dann hörte man ein weiteres Knacken, gefolgt von einem dumpfen Aufschlag und ein zweites Wummern hallte durch den Wald. Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten?
Berry war sofort hellwach. Rasch kletterte er aus seiner gemütlichen Burg, sprang ins Wasser und schwamm flussabwärts. Ununterbrochen lärmte und krachte es im ganzen Wald. Je weiter Berry den Fluss hinunter schwamm, desto lauter wurde es.
Nachdem das Wasser Berrys Staudamm passierte hatte, wurde der Fluss ganz allmählich immer breiter. Folgte man seinem Verlauf bis zum Waldrand, konnte man in der Ferne bereits einige Häuser der Menschen erkennen. An diesem Teil des Flusses hielt Berry sich nie lange auf. Sein Gefühl sagte ihm, dass man den Menschen besser aus dem Weg gehen sollte.
Im Moment war er noch ein gutes Stück vom Waldrand entfernt, aber die Quelle dieses Höllenlärms hatte er bereits gefunden.
Oje, das durfte nicht wahr sein! Entsetzt beobachtete Berry einige Männer, die mit ihren Maschinen begonnen hatten, einen Baum nach dem anderen zu fällen. Wenn das so weiter ging, war an dieser Stelle schon bald der ganze Wald zerstört. Nein, das sollte auf keinen Fall passieren!
So schnell er konnte, schwamm Berry zurück. Er kletterte aus dem Wasser und trommelte so laut er konnte mit seinem Schwanz auf dem hohlen Baumstamm.
Nach dem dritten, vierten Trommeln standen seine Freunde bereits neben ihm. Von dem ungewöhnlichen Lärm aufgeweckt, waren auch sie sofort zum Treffpunkt geeilt.
Berry berichtete ihnen, was er gesehen hatte und führte Bo und Hoa in die Nähe der Holzfäller. Aus sicherer Entfernung beobachteten die drei, was dort geschah. Sobald ein Baum umfiel, wurde er zum Fluss gebracht und ins Wasser gerollt. Die Strömung des Flusses zog ihn dann mit sich.
„Ich werde hinterher schwimmen, damit wir wissen, was mit den Bäumen passiert. Am besten wartet ihr hier auf mich!“, sagte Berry.
Schon war er im Wasser und tauchte ab. Nachdem er einige Zeit geschwommen war, sah Berry ein großes Gebäude direkt am Flussufer. Dort wurden die Stämme von einem Kran aus dem Fluss gefischt und aufeinandergestapelt.
Riesige Holzberge türmten sich bereits auf einem großen Platz, und mit schweren Lastwagen schafften die Menschen aus allen Richtungen immer noch weiteres Holz herbei.
Berry schwamm schnell zurück und berichtete seinen Freunden von dieser Entdeckung.
„Wenn das so weitergeht, ist irgendwann der ganze Wald abgeholzt und alle Waldtiere verlieren ihr Zuhause.“
Doch wie sollten ein Bär, ein Hase und ein Biber das verhindern?
„Was die Menschen haben wollen, das nehmen sie sich einfach!“, jammerte Hoa und seine Freunde nickten zustimmend.
Daran war nun mal nichts zu ändern - oder etwa doch? Berry hatte gerade eine wirklich gute Idee.
„Die Menschen werden nur aufhören, wenn sie unsere Bäume nicht haben wollen. Das ist die Lösung! Wir müssen nur die guten Stämme aus dem Fluss fischen und sie gegen alte und kranke Baumstämme austauschen“, erklärte er seinen Plan.
Das klang einleuchtend. Zumindest war es einen Versuch wert!
Hoa sauste sofort los und suchte im Wald nach kranken, alten Bäumen. Immer wenn er einen morschen Baumstamm gefunden hatte, zeigte er ihn seinen Freunden. Berry nagte den Stamm durch. Anschließend brachte Bo ihn ans Flussufer und legte ihn ein Stück unterhalb von der Stelle ab, an der die Holzfäller arbeiteten. Es dauerte mehrere Stunden, bis sie genügend Stämme gesammelt hatten. Schließlich war Berry zufrieden.
„Das reicht! Bald werden die Männer aufhören, um morgen weiter zu machen. Das ist unsere Chance. Die letzten Stämme fischen wir aus dem Fluss und lassen dafür die schlechten Stämme weiter schwimmen. Hoa, du gibst uns Bescheid, wenn die Holzfäller ihre Arbeit beendet haben.“
Geduldig warteten sie, bis es endlich soweit war. Die Männer hatten den letzten Baum an diesem Tag gefällt.
Sofort begann Berry, die im Fluss schwimmenden Stämme ans Ufer zu schubsen, und Bo zog sie aus dem Wasser. Während Bo den morschen Ersatzstamm ins Wasser rollte, lenkte Berry bereits den nächsten Stamm ans Ufer. Nach und nach tauschten sie auf diese Art und Weise das gute Holz gegen schlechte, morsche Stämme aus. Berry erwischte nicht jeden Stamm, aber sie hofften, dass ihr Plan trotzdem gelingen würde.
Das große Gebäude am Flussufer, das Berry gesehen hatte, war ein Sägewerk. Nachdem sie den letzten Stamm ausgetauscht hatten, machten sie sich schnell auf den Weg dorthin. Sie kamen gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie einer der schlechten Stämme aus dem Wasser gehoben wurde. Aus ihrem Versteck heraus beobachteten sie neugierig, was dann passierte.
Der Kranfahrer, der die Stämme aus dem Wasser hob, bemerkte das schlechte Holz und legte es auf einen separaten Stapel. Bislang lagen dort nur ein paar einzelne Stämme. Doch das änderte sich jetzt! Immer mehr morsches Holz fischte der Mann aus dem Wasser und nur ab und zu war ein Baumstamm von guter Qualität dazwischen.
„Hey, Chef, das solltest du dir ansehen. Die meisten Stämme taugen nichts. Sieh nur, wie viele ich schon aussortieren musste!“, rief der Kranfahrer einem Mann zu, der gerade aus dem Sägewerk hinausspazierte.
Mit missmutigem Gesicht betrachtete dieser den großen Stapel mit schlechtem Holz.
„Das hätte ich mir denken können. In einem Wald, in dem alles durcheinander wächst, lohnt es sich nicht, Holz zu schlagen. Bei einer solch schlechten Qualität kann ich kein Geschäft machen. Morgen werden wir uns einen anderen Wald vornehmen. Ich kümmere mich darum, dass die Maschinen heute noch abtransportiert werden!“
Schlecht gelaunt verschwand der Mann im Sägewerk.
„Kommt, Freunde. Wir gehen zurück und warten ab, was passiert“, schlug Bo vor.
Zunächst geschah gar nichts, aber die drei harrten geduldig weiter aus. Nach einiger Zeit tauchte ein Lkw mit zwei Männern auf.
„Mann. So ein Mist! Ich wollte zum Fußballspiel und jetzt muss ich Überstunden machen. Weißt du, was dem Chef jetzt schon wieder nicht gefällt?“, maulte der Lkw-Fahrer.
„Nein. Ist mir aber auch egal. Los, beeilen wir uns, dann schaffen wir es noch bis zur zweiten Halbzeit.“
Die Männer verluden alle herumstehenden Gerätschaften auf ihren Lkw und kurze Zeit später waren sie samt den Maschinen verschwunden.
Bo, Hoa und Berry bejubelten ihren Erfolg. Dann jedoch blickten sie etwas traurig auf die zurückgebliebenen Baumstümpfe.
„Was Menschen an einem einzigen Tag alles kaputt machen können, ist schon unglaublich!“, seufzte Berry.
„Du wirst sehen, schon im nächsten Jahr wachsen kleine Bäume nach!“, tröstete Bo ihn.
Wie zur Bestätigung streifte ein zarter Windhauch sanft ihre Gesichter und aus dem herumliegenden Sägemehl formte sich auf dem Boden direkt vor ihnen das Wort
Also doch kein Zufall!
„Kommt zu“,so lautete die Botschaft, die sie bislang erhalten hatten. Etwas ratlos schauten die Freunde sich an. Wohin sollten sie kommen? Auf diese Frage wusste keiner eine Antwort.
„Wir werden es früh genug erfahren. Jetzt sollten wir gehen. Es ist spät und Zeit, zu schlafen“, sagte Bo.
Da hatte er recht. Die Botschaft würden sie bestimmt bald verstehen.